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Gülsüms Anruf für ein Leben in Freiheit: Bei drohender Zwangsheirat hilft das Wohnprojekt Scheherazade jungen Frauen – mitten in Bayern

Bayern, Mai 2014 – Gülsüm wächst als Kind irakischer Eltern in Deutschland auf. Sie ist 19 Jahre alt, als sie muslimisch verheiratet wird. Nach Monaten täglicher Gewalterfahrung findet sie Schutz beim Wohnprojekt Scheherazade – und damit einen Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben.

Junge Frauen in Bayern zwischen 18 und 21 Jahren, die von drohender oder erfolgter Zwangsverheiratung betroffen sind, erhalten bei Scheherazade Zuflucht. Das Wohnprojekt bietet drei Plätze in einer Schutzwohnung sowie fachkundige Beratung und Betreuung. In insgesamt 1250 Nächten haben Frauen hier Schutz gefunden seit der Öffnung im August 2012. „Es ist geradezu erschütternd, wie viele junge Frauen hier, mitten in Bayern, vom Thema Zwangsheirat betroffen sind“, sagt die Projektverantwortliche Juliane von Krause, „ihnen wollen wir helfen, wieder in Würde leben zu können.“

Erste Telefonstatistik: das Jahr 2013

Eine direkte erste Beratung erhalten Frauen über die Notruf-Hotline 0800 4151616. Im vergangenen Jahr sind dort rund 250 Anrufe eingegangen. Mehr als 30 Prozent der Frauen drohte eine Zwangsheirat. Fast genauso viele riefen an, weil sie Gewalt im Namen der sogenannten „Ehre“ erfuhren oder sie suchten allgemeine Beratung. Bei knapp 12 Prozent war die Zwangsheirat sogar bereits erfolgt.

Das Herkunftsland der Frauen oder der Eltern steht in engem Zusammenhang mit der Bedrohung der Frauen, selbst wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind: Die meisten Frauen, die anriefen, hatten einen familiären Hintergrund in der Türkei oder in Afghanistan. Zur Beratung rufen junge Frauen selbst an, häufig sind es allerdings auch die Schule, das Jugendamt, Freunde, Bekannte oder eine andere Beratungsstelle, die sich für die Betroffene meldet.

Das Leben neu beginnen

Die Frauen bleiben mittlerweile mindestens drei und bis zu zehn Wochen in der Schutzwohnung. In dieser Zeit erarbeiten sie mit Unterstützung der betreuenden Vertrauenspersonen eine neue Perspektive für sich. In den meisten Fällen liegt die deutsche Staatsangehörigkeit oder eine Niederlassungserlaubnis vor. Fast zwei Drittel der Frauen ziehen aus der Schutzwohnung in eine betreute Einrichtung oder in eine eigene Wohnung.

Ein konkreter Fall: Die Zwangsheirat von Gülsüm, 19 Jahre alt

Vor sechs Monaten wurde Gülsum mit Milad, einem Mann aus dem irakischen Heimatdorf ihrer Eltern, muslimisch verheiratet. Seitdem leben Gülsüm und Milad in Bayern in einer gemeinsamen Wohnung. Da Milads Familie Gold und Geld als Brautpreis an Gülsüms Familie bezahlt hat, sieht es Milad als gerechtfertigt an, nun alles von Gülsüm zu fordern, was er will. Die Aufgaben im Haushalt muss sie perfekt
erledigen. Gewalt und massive Einschränkungen ihrer Freiheit erlebt Gülsüm täglich.

So sehr sie ihre Herkunftsfamilie liebt, auch die kann ihr nun nicht mehr helfen – nach dem Verständnis von Milads Familie gehört Gülsüm nun der neuen Familie. Zunehmend baut diese Druck auf ihre Schwiegertochter auf, nun auch standesamtlich zu heiraten, damit sich Milads Aufenthaltserlaubnis verlängert.

Der Weg aus der Zwangsheirat

Trotz ihrer Angst gibt Gülsüm sich nicht auf. Eine Case-Managerin im Jobcenter hinterfragt die Beziehung und mit viel Mut vertraut sich Gülsüm ihr an. Zusammen rufen sie heimlich bei dem Wohnprojekt Scheherazade an. In mehreren Telefonaten erklärt eine Mitarbeiterin des Projekts Gülsüm die wichtigsten Regeln und Informationen zu der Schutzwohnung von Scheherazade. Sie überlegen gemeinsam, wie Gülsüm fliehen kann. An einem Freitag geht Milad ins Fitness-Studio und Gülsüm nutzt die Gelegenheit – sie verlässt mit einer kleinen Reisetasche die Stadt.

Angekommen bei Scheherazade trifft Gülsüm auf verständnisvolle Sozialpädagoginnen. Sie helfen, ihr Selbstbewusstsein wieder aufzubauen und trösten sie, wenn sie ihre Geschwister vermisst. Um die schrecklichen Erlebnisse besser verarbeiten zu können, nimmt die junge Frau gern die Gespräche mit einer von Scheherazade vermittelten Therapeutin an. In der Schutzwohnung kann sie erst einmal
bleiben, um selbst zu überlegen, wie sie ihr Leben weiter führen möchte.

Das Leben nach der Angst

Da Gülsüm Angst davor hat, ganz alleine zu wohnen und auch noch Unterstützung zur Verarbeitung des Erlebten benötigt, entscheidet sie sich übergangsweise für eine therapeutische Einrichtung. „Der Abschied von Scheherazade war fröhlich und traurig zugleich“, sagt sie später. Doch das Einleben in der neuen Stadt gelingt gut und Gülsüm telefoniert ab und an mit den Sozialpädagoginnen von Scheherazade.

Scheherazade hilft

Scheherazade ist ein Wohnprojekt mit Krisenplätzen für junge Frauen aus Bayern, die von drohender oder erfolgter Zwangsverheiratung betroffen sind. Auch kurzfristige Notaufnahmen sind möglich. Projektträgerin ist die STOP dem Frauenhandel gGmbH. Das Projekt Scheherazade wird vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert.

Eine Weiterleitung der Notfallnummer an Betroffene und die Information über das Angebot kann Menschenleben retten und Gewalt verhindern.

Notruf-Nummer: 0800 4151616 (vom Festnetz und allen Mobilfunknetzen kostenfrei)

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen unter: www.Scheherazade-hilft.de

Das Projekt ist auf Spenden angewiesen:
STOP dem Frauenhandel gGmbH
Liga Bank München
IBAN: DE 08750903000002298201
BLZ: 75990300
Konto: 2298201
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck:
Spende Scheherazade


Pressekontakt
Antje Rudolph,
Telefon: 040 63692981
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Scheherazade hilft
Juliane von Krause, Geschäftsführerin STOP dem Frauenhandel Ökumenische gGmbH
Schwanthalerstraße 79
80336 München

Telefon: 089 38534454
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